18.06.2015 | Papier in der digitalen Welt

Jeden Tag nutzen wir Papier, in jeglicher Form, der Umgang mit Papier ist selbstverständlich, denn durch die fast unbegrenzte Verfügbarkeit der Rohstoffe zur Papierherstellung hat sich Papier in allen Lebensbereichen als unverzichtbar erwiesen.
Eine Welt ohne Papier können wir uns heute nicht mehr vorstellen. Papier von erheblichem Gewicht stapelt sich auf Tischen, Fußböden, aufgereiht in Regalen, gebündelt in Archiven, klebt an Wänden, verstopft Briefkästen und verschwindet täglich in Papiertonnen.
Auch wenn das papierlose Büro schon vor vielen Jahren prophezeit wurde, die an PCs angeschlossenen Drucker haben den Papierverbrauch noch einmal gesteigert.
Die Produktion von Papier als Verpackungsmaterial in Form von Schachteln und Hygienepapiere ist in den letzen Jahren immens gestiegen.
Auf der anderen Seite wird der vormals papierene Terminplaner in der „Cloud“ abgelegt, vom digitalen Kalender im Smartphone oder Tablet abgelöst. Die Bücherwand verschwindet im E-book, gewichtige Versandhauskataloge werden durch das Internetshopping abgeschafft.
Welche Bedeutung hat das Papier heute? Ist es noch ein Trägermaterial für Information, Dokumentation, ist es noch ein Speichermedium für die nachfolgenden Generationen?

Der Übergang von der mündlichen Überlieferung zur Schriftlichkeit ist in allen Kulturen fließend. Verschriftlichung des Wissens ist die Voraussetzung für überprüfbare Thesen, Überlieferung von Geschichte, Gedanken, Welt- und Wertvorstellungen. Das geschriebene, gedruckte Wort ist „schwarz auf weiß“ Grundlage für philosophische und gesellschaftliche Auseinandersetzung.
Am Anfang von Schrift und Schreibmaterial stand wohl das Bedürfnis des Menschen Zeichen, Botschaften und Wissen dauerhaft festzuhalten um dies weitergeben zu an die nachfolgenden Generationen. Die alten Kulturen verwendeten Stein, Metall, Holz, Wachs- oder Tontafeln als Informationsträger. Pergament, Papyrus und schließlich Papier, dieses konnte in größeren Mengen hergestellt, besser transportiert und aufbewahrt werden.

Papier ist ein vielseitiger Werkstoff und so unterschiedlich die verwendeten Rohstoffe und die Methoden der Herstellung waren so resultieren daraus auch die Verwendungszwecke. In Asien wurde Papier meist aus dem Bast des Maulbeerbaums hergestellt und auf Grund seiner Beschaffenheit vielfältig verwendet. Im Westen wurde Papier lange Zeit aus Hadern hergestellt, im 19. Jhdt. brachte dann die Verwendung des Zellstoffs für Papier den Durchbruch zur industriellen Herstellung. Im 20. Jhdt. verlor das in handwerklicher Arbeit hergestellte Papier seine Bedeutung als Werkstoff zum Bemalen, Bedrucken, Zeichen und Beschreiben und durch die Entwicklung der elektronischen Medien, die Information schneller transportieren. Papier und das gedruckte Wort, ob als Buch oder Zeitung, ist zu einem entbehrlichen Produkt geworden.

War das gedruckte Wort Dokument und Grundlage für Wissensaustausch so ist nun die digitale Verfügbarkeit von Nachrichten, Informationen, Film und Sozialen Medien eine andere, neue Dimension der Kommunikation.
Wahrheitsgehalt und die Informationsquellen des im Internet angebotenen Wissens sind oft nicht mehr wirklich nachprüfbar. Manipulation durch gezielt eingesetzte Fehlinformation oder geschönte Wahrheiten sind mehr denn je gegeben.

Ist Papier nun nur noch ein Rohstoff, Abfall, ein Kunstmittel oder verliert Papier als Trägermaterial für Information seine Bedeutung?
Gehört der Geruch eines frisch gedruckten Buches, der Klang, die Oberfläche des Papiers, das Blättern der Seiten der Vergangenheit an?
Die gedruckte Zeitung, unhandlich beim Lesen, Sparten, die nicht interessieren, am nächsten Tag veraltet und nur noch Makulatur, sie hat ausgedient, denn die Information online ist schneller und aktueller. Das Buch – auf einem E-book lassen sich mehr Bücher speichern als man je wird lesen können.
Und wenn die Festplatten sich nicht mehr öffnen lassen, die DVDs und CDs nicht mehr „gelesen“ werden können, ein Virus unseren Kontakt zum www lahm legt?
Das bedruckte Papier braucht nur den Leser, keinen Bildschirm, keinen Strom.

Der Blick für die Schönheit des Papiers in seiner Vielfalt droht durch den tagtäglichen Umgang verloren zu gehen. Den haben Künstler schon im vorigen Jahrhundert entdeckt und sich dieses unscheinbaren aber doch kostbaren Materials angenommen. Die Papierkunst ist es, die wieder aufmerksam macht, sensibel für das
Material, mit dem wir täglich umgehen.

Arbeiten aus Wellpappe, Seidenpapier, Katalogen, Büchern, recyceltes Papier, Pflanzenfasern – bemalt, zerschnitten, gerissen, verklebt, verformt, … auf den zweiten Blick, … es ist Papier … das Papier nicht bedruckt mit Schrift sondern das Papier selber überrascht uns.
Verglichen mit anderen von Künstlern genutzten Materialien gibt es keines das so vielfältig ist in seiner Beschaffenheit, ausgehend von seinen unterschiedlichsten Ausgangsstoffen ist und das so mannigfache Bearbeitungsmöglichkeiten zulässt. Auch die Dimensionen sind überraschend, von der wenige Zentimeter großen Origami-Faltung bis hin zu Raum füllenden Installation


17.06.2015 | Statement zu meinen Papierarbeiten

Papier ist einer der ältesten Werkstoffe der Menschheit. Erst Papier machte eine umfassende schriftliche Überlieferung der Menschheit weitgehend möglich.
Bis zur industriellen Revolution war es ein wertvolles Material, das aber dennoch nahezu weltweit verbreitet war. Danach - in großen Mengen immer billiger produziert - wurde es zu einem alltäglichen Massenprodukt, das sich in unglaublicher Vielfalt und Verwendung über den ganzen Globus ausbreitete.

Papier ist Botschaftsträger, Vermittlungsstoff, zwischen Idee und Betrachter oder Leser, ein vermittelndes Element. Papier ist uns als Trägermaterial für das Medium Wort, Zeichen, Bild geläufig alltäglich. Kultiviert, benutzt, geschunden, gebraucht, achtlos weggeworfenen, täglich, in Massen.

Heute ist Information inflationär geworden. Bibliotheken werden digitalisiert, Lexika stehen im Internet zur Verfügung, Webblocks und Diskussionsforen im www. sind temporär, verändern sich ständig. Wir haben die Illusion uns jederzeit und überall umfassend informieren zu können.

Meine Arbeiten unterbrechen den Datenüberfluss. Bücher, das beschriebene Papier wird zerlegt, zerschnitten gefaltet und neu zusammengefügt, die Texte können nur noch fragmentarisch decodiert werden. Fragmente werden zum Informationsmüll und aus der Information wird ästhetischen Reiz.